27. November 2015

Die Schmeichler kämpfen nicht

Wenn ich in diesen Zeiten in die Presse schaue, Nachrichten aus dem Fernsehen über mich ergehen lasse, dann drängt sich immer wieder die Figur des Schmeichlers in den Vordergrund. In Canettis »Komodie der Eiterkeit« - dort sind von einem totalitären Regime alle Spiegel verboten wurden um die Eitelkeit zu bekämpfen - kommt dem Schmeichler die Rolle zu, den Menschen zu erzählen wie sie aussehen. Sie wollen es ja wissen, und wenn es keine Spiegel mehr gibt, behilft man sich eben so. Geschäftstüchtig wie der Schmeichler ist, erzählt er den Leuten natürlich was sie hören wollen. Bestimmte Branchen, wie die Frisöre, erleben einen Boom, auch weil sie geradezu zwangsläufig ihren Kunden erzählen müssen wie diese aussehen. Selbst überprüfen können die Ihr Äußeres nicht mehr, es gibt keine Spiegel mehr.

Hier und heute, jetzt in Deutschland also, könnten die Menschen in den Spiegel schauen, sie wollen es aber nicht mehr, sondern lieben es umschmeichelt zu werden. Wir sind ja so gut, wir retten das Klima, ja die ganze Welt, wir schaffen das. Geschäftstüchtig wie die Medien sind, erzählen sie den Leuten was sie hören wollen, schmeicheln sich bei ihnen ein. Nein, wir haben nicht nur eine Medienkrise, sondern auch eine der Gesellschaft, die nicht mehr bereit ist den Realitäten ins Auge zu sehen, und sich lieber umschmeicheln lässt. Die Medien sind nicht die Ursache dieses verzerrten Selbstbild der Deutschen. Sie, die Medien, folgen nur einem Bedürfnis der Gesellschaft nach Sinnsuche, und da diese nicht mehr in den Traditionen oder in den Mythen des eigenen Volkes statt findet, entsteht ein neues deutsches Gutmenschentum.

Der Realitätsverlust der Deutschen hat ursächlich mit dieser schief gelaufenen Sinnsuche zu tun. Man schaut nicht mehr in den Spiegel um zu erkennen wer man ist, wie man aussieht, sondern konstruiert sich ein Wunschbild, was von den Schmeichlern kräftig unterstützt wird, es ist ihr Geschäftsmodell. Diese neue Identität der Deutschen steht aber auf ganz wackeligen Füßen, sie hat den Lackmustest zur Unterscheidung von Wunsch und Wirklichkeit noch nicht bestanden, der nun in Form von Völkerwanderungen auf uns zukommt.

Mythen und Traditionen, auf die man meinte verzichten zu können, sind auch tradierte Geschichte, gemachte Erfahrungen die unterschwellig transportiert werden. Das Wunschbild des neuen guten Deutschen ist noch nicht durch die Stürme der Zeit und der Realitäten gegangen, es hat noch keine Bewährungsprobe bestehen müssen, bei der es auf praktische Verwertbarkeit getestet, und dabei angepasst und zurecht geschliffen wurde. Es ist zu befürchten, dass wenn die Gesellschaft an ihrem Wunschselbstbild fest hält, sie daran zerbrechen wird. Der Lackmustest mit den Flüchtlingen ist nämlich nur ein Anfang, vielleicht werden wir wieder kämpfen müssen. Spätestens dann sind die Schmeichler arbeitslos. Sie werden versuchen dies so lange wie möglich hinaus zu zögern, bis hin zur Selbstaufgabe.

1 Kommentar :

  1. Es ist wahr: unserer Gesellschaft würden jetzt die Augen geöffnet werden, wenn sie von den Medien nicht gewaltsam zugedrückt würden.

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