17. November 2013

Die Nuklearia, Best Practice und die Grünen

Die Anbiederung der NUKLEARIA an die GRÜNEN, an GREENPEACE, und wer da sonst noch in diesem halbreligiösen, ganzideologischen und halbesoterischen »Die Natur wird sich rächen« Strudel mitschwimmt, irritierte mich einigermaßen. Twittertexte wie diese:lassen den Verdacht aufkeimen, dass man dort noch nicht die ganze Dimension des Kulturkampfes begriffen hat, der sich vor allem darin abbildet, dass sich die einen die Menschen als zur Natur gehörig betrachten, während die andern meinen, die Menschheit hätte sich von der Natur entkoppelt und müsse in deren Schoß zurück geführt werden. Doch der Reihe nach.

Die NUKLEARIA ist ein neuer gemeinnütziger Verein, der sich zum Ziel gemacht hat, neue Entwicklungen in Sachen Kerntechnik, neue Reaktortypen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse rund um die Kerntechnik, zu sammeln, zu bewerten und der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu geben. Das war dringend notwendig, da die geballte Desinformation über die Kernkraft einen solch breiten Raum in den Medien, und in den Parteien, eingenommen hat, dass eine auf Fakten basierende Diskussion unmöglich wurde. Sie versteht sich auch als Kompetenzzentrum, dass gewissermaßen einen Gegenpol zur gut vernetzten Antiatombewegung bildet, Journalisten und Politiker mit Informationen versorgen kann, damit diese nicht einem vermeintlichen Meinungsklima hinterherhecheln und die Schweigespirale rund um die Kernkraft weiter verstärken. Damit haben sie sich viel vorgenommen, vor allem auch deswegen, weil es eine Graswurzelbewegung ist, es stehen keine finanzkräftigen Unterstützer im Hintergrund, keine Konzerne, keine NGOs.

Den Ursprung hatte die NUKLEARIA in der Piratenpartei, wurde dort aber mehr geduldet, vielleicht auch respektiert, doch nicht geliebt. Doch auch dieser Ursprung zeigt an, dass es sich um eine Bewegung von unten handelt, von Menschen die mit Ideologien nicht viel anfangen können, sich generell am »best practice« Modell orientieren, weshalb ein nicht unerheblicher Grund für die Entstehung dieser Gruppe die unter Klimaschutzgesichtspunkten völlig kontraproduktive Energiewende ist. Will man das Klima schützen, den CO₂ Ausstoß vermindern, so kommt man an der Kernkraft nicht vorbei. Viele Klimaschutzaktivisten haben dies schon lange erkannt, der Klimaforscher James Hansen, der mit seiner Hockey Stick Kurve traurige Berühmtheit erlangte, in der beispielsweise die in der Klimageschichte gut belegte mittelalterlicher Warmzeit, oder auch die darauf folgende kleine Eiszeit, auf geradezu wundersame Weise verschwunden sind, sei nur als Beispiel genannt.

Der fehlende Sensor für Ideologien sorgt allerdings dafür, dass sie den wirklichen Hintergrund von Gruppierungen wie den GRÜNEN oder GREENPEACE nicht erkennen. Denn die interessieren sich nicht an »best practice« Lösungen für reelle oder vermeintliche Probleme, sondern um die Verbreitung ihrer Weltsicht, wonach sich die menschliche Zivilisation, spätestens seit Beginn der Moderne, von der Natur entkoppelt hat, zum Schädling für diese geworden sei und somit auf Kosten der Natur leben würde. Der vermeintlich menschengemachte Klimawandel ist nur eine Folge dieses Verhalten der Menschen wider der Natur. Der Moderne wird eine Naturvergessenheit unterstellt, dem Menschen ein schlechtes Gewissen wegen seines Verhaltens der Natur gegenüber eingeredet, weshalb Vorstellungen, die Natur wird sich rächen einen breiten Raum einnehmen. Wer Schätzings Schinken »Der Schwarm« als Mahnung an die Menschheit versteht, der hat ein Problembewusstsein entwickelt, welches von viel grundsätzlicheren Dingen als dem Klimawandel ausgeht. Und wer von den GRÜNEN, und deren geistigen Verwandten, hat nicht diesen Schinken, so nannte Eva Horn dieses Buch, mit wohligem Schauer gelesen?

Den Glauben an den Fortschritt, auch in technischer Hinsicht, dass es den Menschen ermöglicht mit immer weniger Ressourcen einen immer größeren Nutzen sowohl für die Menschheit als auch für die Natur zu gewinnen, den teilen sie nicht. Im Gegenteil, der Fortschritt der Moderne wird in der Apokalypse enden, davon ist man überzeugt. Fortschritt und Wachstum werden bestenfalls akzeptiert, wenn es im Rahmen einer »Solarökonomie« geschieht, wie das Ralf Füchs darstellte. Gesagt dazu ist schon viel, es bleibt fest zu halten, dass die GRÜNEN ein sehr eingeschränktes Verhältnis zum Fortschritt haben, diesen nach ihrer eigenen Ethik beurteilen, die bereits Technik in gut und böse, in richtig und falsch einteilt, völlig unabhängig davon, was durch die Anwendung dieser Technik erreicht werden kann. Wenn Kernkraft tatsächlich dazu beitragen kann CO₂ Emissionen zu verhindern, dazu noch inhärent sicher ist und keinen langlebigen radioaktiven Abfall produziert, dann finden das die Klimaschützer toll, sofern sie nicht den GRÜNEN angehören.

Solange die GRÜNEN »Die Natur wird sich rächen« Vorstellungen emotional wie ideologisch anhängen, wird man mit »best practice« Vorschlägen dort niemand erreichen, weshalb auch der Appell der NUKLEARIA an die Ökos vergebliche Liebesmüh ist, ja geradezu peinlich wirkt.

Dennoch, ganz umsonst ist er nicht, weil er eine Brücke bilden kann, heraus aus der Sackgasse von ökologistischen Nachhaltigkeitsvorstellungen, die unsere Gesellschaft zu prägen begannen und damit einen Kulturkampf auslösten, bei der evolutionärer (technischer) Fortschritt immer mehr ins Hintertreffen gegenüber durch Ideologien verursachten Rückschritt geriet. Ein klassischer Fall von »Cultural Lag«, der kulturellen Phasenverschiebung, bei der die Technik als vorauseilendes Kulturgebiet bestimmt wie konkurrenzfähig eine Gesellschaft einer anderen gegenüber ist, dabei allerdings immer von Bewahrungskräften wie Religion oder entsprechend verwandten Ideologien ausgebremst wird. Das hat zur Destabilisierung der Gesellschaft geführt und mit der Übernahme der Arguments Klimaschutz kann diese Lücke geschlossen werden.

Die Verunsicherung von weiten Teilen der Gesellschaft bezüglich des Klimawandels wird akzeptiert, aber eine Lösung dafür angeboten die in der Tradition der Moderne liegt, und nicht in voraufklärerische Zeiten zurückfällt, in der höhere Mächte (ob Natur oder Gottheit ist in diesem Fall das Gleiche) den Menschen die Grenzen aufzeigen.

Ob es einen menschengemachten Klimawandel nun gibt oder nicht, und wenn ja, wie stark er ist, dass spielt keinerlei Rolle. Die Gesellschaft glaubt mehrheitlich daran, also gibt es ihn auch. Er ist ein Argument. Mit der Übernahme dieses Arguments ermöglicht es die NUKLEARIA denen Menschen die daran glauben eine andere ideologische Deutung vorzunehmen. Sie werden nicht mehr zwangsläufig, nur weil sie ein Argument für wahr halten, in die Fänge von Ideologen getrieben, die bereits in der Moderne eine Gefahr für die ganze Welt sehen.

Vielleicht hat die NUKLEARIA ja doch begriffen, dass wir uns in einem Kulturkampf befinden und zeigt mit »best practice« Vorschlägen auf, dass es der Gegenseite nicht vordringlich auf die Lösung von Problemen ankommt, sondern die Verbreitung und Verfestigung von Ideologie. Wie auch immer, die GRÜNEN selbst, wahrscheinlich auch GREENPEACE, werden sich der Hilfe verschließen, ja sie als Gefahr für ihre politischen Grundlagen wahr nehmen. Sie werden sich sicher nicht bewegen, weil eine ganze Ideologie damit auf dem Spiel steht. Aber diejenigen die sich ums Klima ängstigen, die haben nun einen alternativen Erklärungs-- und Lösungsansatz, denn »best practice« Lösungen liegen in der Natur des Techniums. Und genau in diesem Zeitalter leben wir, spätestens seit dem Faustkeil, oder der Vertreibung aus dem Paradies, je nachdem wie man es sehen will.


Ergänzend zum Thema:

Thorium billiger als Kohle
Ökologie, Versuch einer Annäherung
Ein Pamphlet in der Enquete
Harald Welzer und die Tiefenprägung

4 Kommentare :

  1. Wir, die Nuklearia, rechnen nicht ernsthaft damit, die Grünen oder Greenpeace auf unsere Seite ziehen zu können – zumindest nicht so bald. Aber es könnte ja sogar dort den einen oder anderen Versprengten geben, dem aufgeht, daß man mit Ideologie und Naturphilosophie allein kein Stahlwerk, keine Kaffeemaschine und keine Energiesparlampe betreiben kann. Oder daß Energiewende und Atomausstieg physikalisch unvermeidlich entweder zu einer instabilen Stromversorgung oder zu höheren CO2-Emissionen führen – oder zu beidem.

    Diesen Leuten wollen wir helfen. Es ist ja kaum damit zu rechnen, daß ihre eigenen Organisationen sie dabei unterstützen, sich untereinander zu vernetzen, auszutauschen oder gar Aktionen zu planen und durchzuführen. Da wollen wir einspringen. Einzelne können sich bei uns melden – gern vertraulich –, und wir kümmern uns darum, daß sie auf Wunsch voneinander erfahren und sich vernetzen können. Und wir bieten natürlich auch die Vernetzung zu unserer Community an, zur pronuklearen Graswurzelbewegung, zu jeder Menge fachlicher Hintergrundinformationen, vor allem aber auch zu Menschen, die diese Informationen vermitteln und konkrete Ansprechpartner sind. Kein pronuklearer Grüner muß allein bleiben! Und schließlich sind da so einfache und praktische Dinge wie ein Mailverteiler, ein Wiki oder sonstige IT-Dienste, die wir gern zur Verfügung stellen.

    Hintergrund für den Nuklearia-Tweet ist übrigens der Artikel "Pro-nuclear greens ‘dare not speak out’", siehe http://www.earthcomms.org/pro-nuclear-greens-dare-not-speak-out/. Der Autor weiß von hochrangigen Personen in Organisationen wie Greenpeace zu berichten, die den Widerspruch zwischen Klimaschutz und Antiatomhaltung sehen, die Vorteile von Kernenergie erkennen, es aber aus Angst um ihren Job nicht wagen, den Mund aufzumachen. Diese Leute gibt es sehr wohl, und sie sollen jede Unterstützung kriegen, die sie brauchen.

    Rainer Klute
    Nuklearia e.V.
    - Vorsitzender -

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  2. Ich weiß nicht, Quentin. Da interpretierst Du aus meiner Sicht etwas viel in einen Tweet hinein.

    "Anbiederung" kann ich nicht erkennen. Auch richtet sich die Botschaft ja an konkrete einzelne Menschen - und nicht etwa an eine Organisation in ihrer Gesamtheit. Die "Unterstützung" ist doch eher als Hilfe zur Überwindung eigener Vorurteile gedacht.

    Mir ist zumindest eine Person bekannt, die bei den Grünen durchaus mal etwas zu sagen hatte und schließlich durch Trittin persönlich aus der Partei geekelt wurde, weil sie ihre Meinung zur Kernenergie geändert hatte. Ich finde es gut, wenn sich die Nuklearia für solche Fälle als Ansprechpartner anbietet.

    Der Verein agiert überparteilich. Das ernsthaft zu betreiben, bedeutet eben auch, Ansprechpartner für Anhänger aller Parteien zu sein. Da kann man sich doch nicht ernsthaft jedem Dialog schon verweigern, noch bevor er überhaupt begonnen hat.

    Falls die Grünen mich (bspw.) zu einem Vortrag oder einem Streitgespräch einladen würden, würde ich das selbstverständlich machen. Wenn da von vielleicht 100 Teilnehmern nämlich nur ein einziger auf die Idee käme, sich selbst zu informieren, zu recherchieren und meine Aussagen zu überprüfen, hätte es sich schon gelohnt.

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  3. Hallo Peter. Das Wort Anbiederung ist vielleicht etwas hart, so empfand ich es aber so als der Tweed ankam. Im weiteren Text ist es ja relativiert. Aber Du hast natürlich recht, als überparteiliche Organisation kann und darf man sich einem Dialog nicht verweigern, wobei natürlich, wie es sich für einen Dialog gehört, die jeweiligen Überzeugungen respektiert werden müssen.

    Die eigentliche Gefahr sehe ich aber nicht an einem Dialog über die Kernkraft, sondern darin dass mit der Bestätigung des menschengemachten Klimawandels als ein Argument welches 'wahr' ist, auch die tiefere ideologischen Überzeugungen als 'wahr' angenommen werden können. Also alles das was gemeinhin dem Ökologismus (für die anderen Leser hier: nicht zu verwechseln mit Ökologie) als philosophische Erklärung gilt. Ich denke gerade, dass in der Verweigerung von 'best practice' Maßnahmen von Seiten der Grünen klar wird, wo deren wirkliche Prioritäten liegen. Dann müssen wir nämlich über Weltbilder reden, und nicht über Technik.

    Aber es natürlich gut möglich, Du und Rainer Klute haben dies ja an Beispielen erklärt, dass es bei den Grünen und deren Verwandten doch eine gewisse Anzahl von Leuten gibt, die sich einfach nur Sorgen machen, um die Umwelt, um die Zukunft, denen der der Umweltschutz eben besonders am Herzen liegt; die aber ansonst mit irgendwelchen Ideologien, wie zum Beispiel der, dass die Moderne nicht mehr die Erklärungen für die Gegenwart geben kann, am Hut haben. Diese Leute sind 'best practice' Maßnahmen sicher aufgeschlossen. Wenn die erreicht werden können, dann hat der Tweed sicher seinen Zweck erfüllt und darf auch nicht als Anbiederung gesehen werden.

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  4. "Die eigentliche Gefahr sehe ich aber nicht an einem Dialog über die Kernkraft, sondern darin dass mit der Bestätigung des menschengemachten Klimawandels als ein Argument welches 'wahr' ist, auch die tiefere ideologischen Überzeugungen als 'wahr' angenommen werden können."

    Oh ja, sehr richtig. Diese Gefahr sehe ich auch. Kernenergie als das "geringere von zwei Übeln" zu vermarkten, ist aus meiner Sicht ein völlig falscher Weg. Auch ist die geeignete Antwort auf einen mutmaßlich menschgemachten Klimawandel keinesfalls Vermeidung. Und drittens, im Gegensatz zu dem, was Rainer Klute oft suggeriert, verpesten moderne Kohle- und vor allem Gaskraftwerke keineswegs die Umwelt mit Schadstoffen.

    Nein, Kernenergie muß eigenständig, aus sich selbst heraus einen Nutzen aufweisen. Um sie bspw. in Deutschland wieder salonfähig zu machen, gilt es, einen USP zu entwickeln, einen einzigartigen Anfangsvorteil, der für möglichst viele Nutzer unwiderstehlich ist.

    Ich hoffe, daß sich die Nuklearia in diese argumentative Richtung entwickelt. Ich werde mich als Mitglied jedenfalls dafür einsetzen.

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