15. Juni 2013

Partizipation, oder wie man undemokratische Verfahren verklärt

Die kolossale Herausforderung für die Modernisierung repräsentativer Demokratien besteht nun darin, zur Gewinnung von zusätzlicher Legitimation mehr formale Beteiligungschancen zu institutionalisieren, diese zugleich aber an einen inhaltlichen Wertekonsens nachhaltiger Politik zu binden, damit „mehr Partizipa- tion“ im Ergebnis nicht zu „weniger Nachhaltigkeit“ führt. (WBGU-Gutachten S.218)
Auf gut deutsch: Ihr dürft mitreden, die Richtung bestimmen wir. Genau nach diesem Motto wird derzeit versucht vorzutäuschen, es gäbe eine Legitimationskrise in der Politik, die mit mehr Bürgerbeteiligung überwunden werden könnte. In der Praxis allerdings scheitert dieser Anspruch regelmäßig, da sich bei derartigen Prozessen nur die artikulationsstarken und zeitreichen durchsetzen. Wenn derartige Prozesse in Gang gesetzt werden, dienen sie zumeist nur als Werbeplattform für bereits fest stehende Entscheidungen. An Einzelaspekten wird noch ein wenig herumgefeilt, damit der Eindruck entsteht: Die Bevölkerung wurde ja gefragt, sie hat sogar mitarbeiten können. Wenn allerdings diese Bürgerbeteiligung einmal nicht mehr gewünscht wird, weil sich in diesen Prozessen Stimmen eine Mehrheit verschafft haben, die das jeweilige Vorhaben generell in Frage stellen, ist ganz schnell Schluss mit lustig. Dann wird relativiert, Mitspracherechte eingeschränkt, oder gar Abstimmungen als unwichtig erklärt. Partizipation bedeutet eben nicht eine Wahl zu haben, sondern nur mitzumachen. Entscheidende Weichenstellungen sind nicht zu erwarten. Wer solche Partizipationsprozesse als eine Weiterentwicklung in der Demokratie beschreibt, hat das Wesen einer demokratischen Gesellschaft nicht verstanden, ja durch den Ausschluss von wirklichen Alternativen, wird die Demokratie geradezu ausgehöhlt.

Demokratie lebt vom Streit, nicht vom Konsens. Damit aber dieser Streit nicht darin gipfelt, dass sich die Kontrahenten gegenseitig die Köpfe einschlagen, wurde er kultiviert in Form von Wahlen. Freie und geheime Wahlen sind der Kern einer jeden Demokratie und jeder Versuch das Ergebnis von Wahlen zur relativieren, oder gar zu fälschen, führt zwangsläufig zurück zu einer Gesellschaft, in der Macht ohne demokratische Legitimation ausgeübt oder angestrebt wird. Dabei geht es nicht nur um den Bundestag oder die Wahl eines Oberbürgermeisters, nein, selbst im Karnevalsverein oder Kegelclub, überall stellen Wahlen und Abstimmungen den Schlusspunkt unter einer Auseinandersetzung, in der der Unterlegene seine Niederlage akzeptiert und der Gewinner auf Rache verzichtet. Der Unterlegene muss keine Angst haben Repressalien ausgesetzt zu sein, er muss noch nicht einmal seine Meinung ändern, sondern kann seine Kräfte sammeln um bei der nächsten Abstimmung doch noch an Ziel zu kommen.

Was für die Kontrahenten gilt, die die zur Wahl stehen, gilt aber auch für den Wähler, für ihn ist der Wahlzettel ein Vertrag, welcher aussagt, dass seine Stimme das gleiche Gewicht hat, wie die eines x-beliebigen andern Wählers, und die ihn genauso verpflichtet das Wahlergebnis zu akzeptieren und auf jegliche Gewalt zu verzichten wenn denn seine Interessen sich nicht durchgesetzt haben. Kandidat und Wähler werden eins. Wenn Wahlen gefälscht oder manipuliert werden, wird der Vertrag, dessen wesentliches Merkmal der Verzicht auf Gewalt ist, gekündigt. Der Unterlegene hat nun nicht mehr die Chance seine Interessen in einem demokratischen Prozess zur Geltung zu bringen und wird versuchen dies nun auf andere Weise zu tun. Die Stabilität einer ganzen Gesellschaft wird gefährdet und es bleiben nur zwei Wege heraus aus dieser Instabilität: den in die Diktatur oder zurück zu Demokratie, was heißt, dass diejenigen die den Wahlbetrug vorgenommen haben, zur Rechenschaft gezogen werden und sicher gestellt wird, dass die nächste Wahl nicht mehr manipuliert werden kann. Der andere Weg, den in die Diktatur, erkennt man darin, dass Wahlen nur noch dekorative Bedeutung haben, bei denen grundsätzliche Richtungsänderungen ausgeschlossen werden können.

Gerade im Umfeld der „grün-ökologistischen Bewegung“ sind nun einige Vorfälle aufgetreten, in dem versucht wurde mit Hilfe von Partizipationsverfahren Interessen anderer auszugrenzen. Das Theater um den Nationalpark Nordschwarzwald sei hier nur stellvertretend genannt. Da wurden Gutachten erstellt, sich auf Meinungsumfragen gestützt und erhebliche Mittel in die Hand genommen um die Bürger von diesem Projekt zu überzeugen. Das Ergebnis war klar, die zeitreichen und die artikulationsreichen einfach die die auf die meisten Ressourcen zurückgreifen konnten, was im dem Fall die grün-rote Landesregierung war, haben die Wortführerschaft übernommen und all jene in die Ecke gedrängt die von dem Projekt nichts wissen wollten. Partizipation ist eben etwas grundsätzlich anderes als Demokratie. Ersteres kann keine Legitimation verschaffen, dies geht nur in Prozessen bei denen am Ende ausgezählt wird, wenn klar ist wer wie viele Stimmen auf sich vereinen kann. Die Abstimmung im Nordschwarzwald brachte es dann an den Tag, die Wortführer waren in der Minderheit.

Mitbestimmung ohne eine Wahl zu haben, ist in Wirklichkeit keine Mitbestimmung sondern eine sanftere Art von Diktatur. Nur die Möglichkeit zur Wahl einer Alternative kann die Spannungen in der Gesellschaft abbauen. Der Verlierer weiß dass er zu einer Minderheit gehört und akzeptiert, dass die Mehrheit ihre Vorstellungen umsetzt. Nach einer Wahl ist aber auch immer vor einer Wahl, deshalb weiß auch der Gewinner, dass er nicht auf volle Konfrontation zum Verlierer gehen kann, denn die Rollen könnten auch bald vertauscht sein.

Die Partizipationsmodelle, wie sie der WBGU beschreibt, zielen darauf ab, Alternativen und echte Wahlmöglichkeiten zu verhindern. Nicht ein mehr an Demokratie ist das Ergebnis, sondern eine Diktatur derer die sich in nichtdemokratischen Prozessen die Meinungsführerschaft sichern können, von der man aber nicht wissen kann, ob sie auf eine Mehrheit der Stimmen zählen kann. Sie selbst, diejenigen die meinen die Deutungshoheit zu besitzen und mit ihren Ressourcen die Bürgerbeteiligungen dominieren, wissen das auch nicht. Deswegen haben die eine Höllenangst vor Wahlen.

Wer mehr Demokratie haben möchte, der setzt auf Bürger- und Volksentscheide, die sind immer noch die beste Partizipation, wenn man schon meint die repräsentative Demokratie bräuchte mehr Legitimation.

1 Kommentar :

  1. Sehr geehrter Herr Quencher,

    vielleicht meinen die das so wie seinerzeit Walter Ulbricht:
    “Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben." - 1945, zitiert in: Wolfgang Leonhard: Die Revolution entlässt ihre Kinder (1955). Leipzig 1990. S. 406. Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung .

    M.f.G.

    AntwortenLöschen