10. November 2012

Ott bei Friedman, oder wie mit falschen Ängsten Politik gemacht wird

Es gibt Sendungen im Fernsehen die ich normalerweise sofort wegzappe. Dazu gehören fast alle Talkrunden, vor allem dann, wenn sie ein Format wie bei Anne Will aufweisen. Ein paar wenige Sätze, oberflächlich und doch medienwirksam vorgebracht, durch immer wieder eingespielte Filmchen unterbrochen, sollen den Zuschauer bei Laune halten. Beckmann und Co. sind ebenfalls kaum noch erträglich. Betroffenheitsgeschwafel nenne ich dies. Im Prinzip lässt sich diese Aufzählung noch ein ganzes Stück erweitern, und betrifft alle Sender, ob öffentlich rechtliche oder private ist egal. Einige Ausnahmen gibt es, stellvertretend seien hier nur die Phoenix-Sendungen »Im Dialog« oder »Unter den Linden« genannt.

Michel Friedman macht mit seiner Sendung in N24 da auch eine gewisse Ausnahme, denn er passt nicht in diese Muster. Man könnte bei ihm von Konfrontationsjournalismus sprechen, oder Provokationsjournalismus. Diese seine Krawallmasche ging mir ebenso auf den Wecker, weshalb ich mir dies auch nie anschaute - bis vorgestern. Thema waren die gestiegene Stromkosten und die Energiewende etc., etwas was mich natürlich interessierte, doch nicht der Grund war warum ich es mir anschaute. Es lag an der Person Hermann Ott von den Grünen, doch dazu später. Erst einmal die Vorbemerkung, dass ich doch etwas erstaunt über die Art und Weise war, wie Friedman seine Sendung führt.

Ich kaufe ihm seine emotional, aufbrausende und provokative Art nicht ab. Die Empörungen die er zur Schau stellt, machen ihn nur scheinbar zum Anwalt der kleinen Leute, deren Anliegen und Meinungen er natürlich aufgreift, um sie dann aber in fast beleidigender Art und Weise seinen Gesprächspartnern vor den Latz zu knallen. In Wirklichkeit geht es Friedman wohl eher darum, seine Gesprächspartner zu unbedachten Äußerungen zu provozieren. Manchmal klappt das sicher, bei Hermann Ott und Patrik Döring (FDP), dem zweiten Gast, nur sehr bedingt. Die sind einfach zu sehr Medienprofis um sich hier auf Glatteis führen zu lassen.

So nutzten beide die Gelegenheit sich schon mal für den kommenden Wahlkampf einzustimmen. Besonders gut kamen sie damit nicht rüber, zu offensichtlich waren die Weglassungen bis hin zu deutlichen Unwahrheiten in ihren Argumentationen. Patrick Döhring versuchten einen Spagat zwischen Regierungsverantwortung und seiner eher oppositionellen Haltung hin zu bekommen. Hermann Ott hat dies schnell erkannt und bemerkt, dass es das Problem der FDP sei, etwas politisch umsetzen zu müssen was sie aber im Prinzip abschaffen wollten. Die ganze Energiewende nämlich. Damit hat wohl Recht, dennoch muss man Döhring bescheinigen, dass er der seriösere von beiden war. Soweit dies eben bei diesem Talkshow-Konzept überhaupt festgestellt werden kann.

Doch kommen wir zu Hermann Ott. Wie schon gesagt, von Michel Friedman hat er sich nicht den Schneid abkaufen lassen, nutzte dafür aber die Gelegenheit um Stimmung in seinem Sinne zu machen. Doch hier ist er in eine Falle getappt, weil er an anderen Orten erst in jüngster Vergangenheit andere Positionen vertreten hat, oder eigene Erkenntnisse verschweigt, die er aber nachweislich hat. Hier möchte ich besonders auf seine Tätigkeit als Leiter der Projektgruppe 3 in der Enquetekommission »Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität« hinweisen.

Ein immer wieder vorgebrachtes Argument Otts, dass zu wenig für Einsparungen im Energieverbrauch getan würde, um damit die Kostensteigerungen aufzufangen, ist im Zusammenhang mit Klimaschutz unsinnig, da diese Einsparungen, sollten sie denn tatsächlich erfolgen, durch direkte und indirekte Rebounds wieder aufgefressen werden. Ein Vorgang der in der Enquetekommission sehr ausführlich diskutiert wurde. Dennoch versteigt sich Herr Ott dazu, den Klimaschutz als ursächliches Argument wieder zu beleben. Dabei spielt er natürlich auch mit Ängsten, bleibt dabei aber schön ungenau, indem er auf die kürzliche Wetterkatastrophe an der Ostküste der USA anspielt. Das passt auch ganz genau in sein Konzept der »Heuristik der Angst« welches er nutzen möchte, um Menschen zum umdenken zu bewegen.

Stimmungsmache gehört zum politischen Handwerkszeug, leider auch das Spiel mit der Angst. Und in diese Kategorie ist auch einzuordnen, wenn Ott sagt, die vier großen Stromversorger würden [von ihnen] als vier Besatzungsmächte bezeichnet. Was mit solchen Äußerungen bezweckt werden soll ist klar: Stimmungsmache und Ablenkung. Dazu passt auch die Behauptung, dass ein Großteil der Erhöhung der EEG-Umlage auf das Konto derer geht, die von dieser Umlage befreit sind. Hurra, der Sündenbock ist gefunden, wie mangelhaft die Begründung ist, lässt sich einfach nachprüfen. Weiter geht es mit Otts Stromversorgerbashing: Stromversorger werden nicht genug kontrolliert, Absprachen untereinander wurden unterstellt und so weiter. Doch dies alles ist Politik, da vermischen sich eben schnell mal politische Ziele mit persönlichen Abschätzungen und Behauptungen. Damit wird man leben müssen, die Gegner verhalten sich hier nicht prinzipiell anders.

Hellwach wurde ich bei dieser Aussage:
„Wir müssen weniger verbrauchen insgesamt, das ist klar. Alle fossilen Brennstoffe sind endlich. Die Preise für alle fossilen werden steigen.
Genau diese Aussage tätigte er wider besseren Wissens. Im Berichtsentwurf für die Enquetekommission der PG 3, dessen Vorsitzender Hermann Ott ist, steht auf Seite 59:
Die geologische Verfügbarkeit bei heutiger Nachfrage sowie heutigen Preisen und Technologien ist folglich für alle relevanten Energierohstoffe für mehrere Jahrzehnte, teils sogar über hundert Jahre, sichergestellt.
[...]
Die meisten Szenariorechnungen zeigen auf, dass die Reserven an fossilen und nuklearen Energieträgern ausreichend sind, um auch weit über die analysierten Zeiträume hinaus eine als wachsend angenommene Nachfrage nach diesen Energieträgern zu befriedigen.
Gerade um die Frage über die Ressourcen entstand bei der 21. Sitzung der Enquete eine heftige Diskussion, bei der Hermann Ott eindeutig Stellung nahm und die Darstellung des Berichtsentwurfs verteidigte. Was gilt denn nun, die Behauptung Otts bei Friedman, oder seine Erklärungen vor der Enquetekommission des Bundestages?

Es scheint möglich, dass Michel Friedman mit seiner Fragetechnik Hermann Ott ein wenig aus der Fassung gebracht hat, ihn damit veranlasste seine Deckung zu verlassen um sich mit Argumenten zu verteidigen, oder gar diese Argumente als Angriff auf seinen Widersacher bei dieser Sendung zu verwenden. Keiner von beiden, weder Friedman noch Döring, kannte Otts Stellungnahme in der Enquete, weshalb sie auch diese Steilvorlage ungenutzt ließen. Was aber noch viel schlimmer ist, es wurde diesbezüglich überhaupt nicht widersprochen. Die Annahme, dass die vermeintliche Endlichkeit der fossilen Brennstoffe würde uns heute zum Handeln zwingen, entspricht womöglich auch deren Überzeugungen. Und wenn man andere Diskussionen anschaut, so muss man befürchten, dass dies Konsens nicht nur bei Journalisten und Politikern ist, sondern auch Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung.

Ich denke, genau dies weiß Hermann Ott, und nutzte deshalb die Gelegenheit etwas weiterhin zu behaupten, obwohl er weiß dass es falsch ist, weil eben noch so viele Menschen daran glauben. Ihm geht es auch nicht um die Wahrheit, sondern um die Umerziehung der Bevölkerung. Angst vor etwas zu erzeugen was gar nicht existiert, erscheint als probates Mittel in der Politik des Herrn Ott.

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